Unser Wissen über die frühesten Prägungen Athens beruht grundsätzlich auf den Überlieferungen über Aristoteles und Androtion: der Bericht des Aristoteles zu den solonischen Reformen in seinem Werk[1] Athenaion Politeia (10) und des Androtion bei Plutarch Solon (15, 3-4) differieren allerdings im Detail z. T. in beachtlichem Maße. Infolgedessen gehen auch die Meinungen zur Interpretation dieser Texte in der modernen Forschung auseinander. Die Athenaion Politeia ist bekanntlich nicht das einzige Werk, in dem Aristoteles über die Tätigkeiten des Solon in Athen berichtet. In den Politika wird Solon als Gesetzes- wie auch als Verfassungsgeber gewürdigt[2]. Als Quelle dienten in erster Linie die Gedichte Solons[3], die Auskunft über den Inhalt seiner Tätigkeiten und vor allem seiner Ansichten geben; aber auch die Schriften der Atthidographen[4] dürften zur Entstehung des Werkes beigetragen haben.
Plutarch hat merkwürdigerweise Theseus als ersten Emittenten der Münzprägung in Athen erwähnt: „Theseus ließ auch eine Münze schlagen und einen Stier darauf prägen, entweder wegen des Marathonischen Stiers oder wegen des Feldherrn des Minos oder um seine Landsleute zum Ackerbau anzuspornen. Von daher sollen die Bezeichnung <Hundertstier> und <Zehnstierwert> aufgekommen sein“[5]. Zwar finden wir unter den frühen Prägungen Athens die von Plutarch beschriebene Münze[6] wieder, aber es handelt sich bei seiner Schilderung offensichtlich um eine Mythifizierung der ersten Münzprägung mittels einer heroischen Gestalt. Plutarchs Bericht ist eine erweiterte und kommentierte Version der Überlieferung des Philochoros[7]. Er beschreibt die Didrachmen mit Stierbild, die vor den Prägungen der Tetradrachmen mit Eule und Athenabild in Athen im Umlauf gewesen sein sollen[8].
Ganz anders die Biographie des Solon: hier stützt sich Plutarch meist auf historische Quellen. Neben der neuen Gesetzgebung erwähnt er auch die Reformen des Solon im Münzwesen. Plutarch gibt diesen Abschnitt nach Androtion wieder. Ferner ist von dem Strafgesetz des Solon die Rede, wonach gesetzeswidrige Handlungen mit einer Geldstrafe [...]
Die Einführung und Verbreitung der Silberprägung auf dem Festland, u.a. in Athen, Korinth und Ägina, muß auch aus anderen Perspektiven - nämlich der wirtschaftlichen Entwicklung und dem ausgedehnten Handel - betrachtet werden, da diese eng miteinander verbunden sind. Bevor wir auf die Beziehungen zwischen den Städten auf dem Festland und in Westkleinasien eingehen, werfen wir einen Blick auf die Handelstätigkeit der griechischen Städte im Mittelmeerraum.
Die Koloniegründungen des 8. und 7. Jhs. v. Chr. hatten neue Möglichkeiten in Handel und Warenverkehr geschaffen. Die Keramik von Korinth war z.T. mit ihrem Inhalt im gesamten mediterranen Raum, insbesondere in den westlichen Kolonien[9], gefragt. Die Funde großer Mengen korinthischer Keramik in griechischen Kolonien und in anderen Siedlungsgebieten[10] weisen darauf hin, daß der Handel vor allem im 7. Jh. noch intensiver geworden war. Keramik ist nur ein repräsentatives Material[11], das erhalten blieb und dessen Herkunftsbestimmung sicher ist. Andere Waren wie Getreide, Öl, Wolle, Holz und Edelmetalle zirkulierten ohnehin im Mittelmeerbereich[12]. Die Intensivierung des Handels zwischen verschiedenen Städten und Gebieten und die Erweiterung der Palette gehandelter Gegenstände führte zu einem immer besser organisierten Warenverkehr, der durch die Festlegung der Gewichts- und Maßsysteme und die Schaffung von Zahlungsmitteln einen Höhepunkt erreichte. Es handelte sich um einen Umwandlungsprozeß, der sich nach und nach zugunsten der Münzwirtschaft entwickelte. [...]
Technik und Abfolge
Die ionische Stadt Teos, eine bedeutende Prägestätte in Kleinasien, zeichnet sich durch das Bild eines nach rechts sitzenden, auf der Vs. ihrer Silbermünzen abgebildeten Greifen aus. Teos bleibt nach unserer bisherigen Kenntnis die einzige ionische Stadt, die ihre Silberprägung im äginetischen Münzfuß herausgab. Die aufgenommenen Statere (Didrachmen) werden aufgrund des Greifenstils auf der Vs. und der Technik des Rs.-Stempels in zehn Serien gegliedert. Darunter gibt es Serien, die bis heute nur durch eine einzige Münze vertreten sind (I, VII). Zwischen den Serien bestehen keine Stempelverbindungen. Die ersten zwei Serien von Drachmen sind durch mehrere Münzen vertreten. Unter den fünfzehn Münzen der ersten Serie sind nur drei Vs.- und ein Rs.-Stempel, unter den neun Münzen der zweiten Serie nur ein Vs. und zwei Rs.-Stempel festzustellen. Merkwürdigerweise sind die Münzen zum größten Teil aus dem Kunsthandel und wurden vor allem in den 80er und 90er Jahren angeboten. Ob sie aus einem Schatzfund stammen oder die früher bekannten Exemplare imitiert / nachgeprägt worden sind, läßt sich nicht entscheiden. Zur Bewertung der Serien sind aufgrund dieser Bedenken die längst bekannten Münzen (Nr. 55, 56, 64) ausschlaggebend.
Nach der Technik des Rs.-Stempels kann auch die Reihenfolge der Serien bestimmt werden. Die ersten drei Drachmen-Serien besitzen ein Quadratum Incusum auf der Rs., das entweder unregelmäßig geschnitten oder mit unterschiedlichen Erhebungen geteilt worden ist. Unter den Stateren ist eine einzige Münze (Serie I, 1) bekannt, auf deren Rs. das Quadratum Incusum zwar viergeteilt, jedes Feld aber durch eine dreieckige Erhebung gefüllt ist. Diese Technik erinnert an die Rs.-Stempel der sog. Wappenmünzen von Athen[13], bei welchen das Quadratum Incusum durch ein Kreuz von Eckpunkt zu Eckpunkt in vier Dreiecke geteilt ist. Der Unterschied zu den anderen Didrachmen, die meist eine durch ein Kreuz viergeteilte Form haben, wird damit deutlich. Die Prägungen des 5. Jhs. haben sogar noch ein streng und regelmäßig viergeteiltes Quadratum Incusum, dessen Felder durch Striche gefüllt sind.
Abdera und die Silberprägung von Teos
Die Gründung Abderas durch die Teier[14] und die darauf folgende Münzprägung wurden als Anhaltspunkte für die Einführung der Silberprägung in Teos gewertet[15]. ...
[...]
A. Statere
Serie I: (vor 546 v. Chr.)
Vs.: Auf einer Bodenlinie nr. sitzender Greif. Zwei aufeinanderliegende Federreihen bilden den Flügel. Die vordere linke Kralle ist aufgrund des zum rechten Rand gerückten Stempels nicht sichtbar oder nicht erhoben. Die Brust ist gepunktet. Ohne Beizeichen und Inschrift.
Rs.: Quadratum Incusum mit unterschiedlichen Erhebungen und nicht scharf geschnittenen Vierteilung.
1) V1 R1 11.77 München
Serie II: (540/530-520 v.Chr.)
Vs.: Auf einer Bodenlinie, die bei allen Exemplaren nicht sichtbar ist, nr. sitzender Greif mit geöffnetem Schnabel. Zwei aufeinanderliegende Federreihen bilden einen langen, schmalen Flügel. Die vordere linke Kralle ist erhoben. Ohne Beizeichen und ohne Inschrift.
Rs.: Viergeteiltes Quadratum Incusum mit unterschiedlichen Erhebungen.
2) V2 R2 11.92 MuM 314,1970,15
3) V3 R3 12.15 Myers 11,1975,141; Rosen, 600; Asyut, 622
4) V4 R4 11.34 Ars Classica&Naville 12,1926,1816; Balcer, 3
5) V5 R5 11.65 SNG von Aulock, 2251; Balcer, 4a
6) V6 R6 11.73 Paris; Babelon, Traité, 504
7) V7 R7 11.46 Paris; Babelon, Traité, 495; Balcer, 5a
8) V8 R8 11.84 Paris, SNG Delepierre, 2664
Serie III: (520-510/500 v. Chr.)
Vs.: Greif nr. sitzend mit geöffnetem Schnabel. Zwei aufeinander liegende Federreihen bilden den Flügel. Die vordere linke Kralle ist erhoben. Nicht erkennbares Beizeichen rechts unten im Feld.
Rs.: Viergeteiltes Quadratum Incusum mit unterschiedlichen Erhebungen.
9) V9 R9 11.75 Asyut, 624
Serie IV: (520-510/500 v. Chr.)
Vs.: Auf einer Bodenlinie nr. sitzender Greif. Zwei aufeinanderliegende Federreihen. Eine lange, schmale Flügelform. Die vordere linke Kralle ist erhoben. Davor steht ein Schwan als Beizeichen.
Rs.: Viergeteiltes Quadratum Incusum mit unterschiedlichen Erhebungen.
[1] Der
auf zwei Papyri erhaltene Text wurde erst im Jahre 1891 vollständig publiziert:
Dazu s. Rhodes, Commentary Ath. pol., 2f. und 739ff.; Chambers, Staat der
Athener, 75-103.
[2] 1273b.
[3]
Rhodes, Commentary Ath. pol., 24. 119; Chambers, Staat der Athener, 86; W.
Jaeger, Solons Eunomie, in: W. Eisenhut (Hrsg.), Antike Lyrik (1970) 7-31; H.
Färber in: G. Pfohl (Hrsg.), Die griechische Elegie (1972) 214-235; H. Hommel,
Ebenda 236-262; Dillon-Garland, Ancient Greece, 65f. 70f. Vgl. Plat. Tim.
21b-c.
[4]
Linforth, Solon, 19; Rhodes, Commentary Ath. pol., 20-30. 118; Chambers, Staat
der Athener, 84-91; O. Lendle, Einführung in die griechische Geschichtsschreibung
(1992) 146; G.E. Pesely, Athenaeum 1995/1, 45-66 (auf Peisistratiden bezogen).
[5] Plut.
Thes. 25, 3.
[6]
Gardner, History Coinage, 142f.; Seltman, Athens, 27ff., Nr. 24 Taf. 1, A 17.
[7] FHG,
S. 410, 154 (Schol. Aristoph. Av. 1106).
[8] Seltman,
Athens, 28 mit Anm. 4; Rhodes, Commentary Ath. pol., S. 169; Chambers, Staat
der Athener, 188f.
[9]
Boardman, Kolonien und Handel, 191ff.; Kopcke, Handel, 108f. Abb. 25a-b Anm.
605.
[10] Nur
eine Auswahl: Mégara Hyblaea II, 15ff., Taf. 1ff.; 32ff., Taf. 13ff.; F.G. Lo
Porto, ASAtene 37/38, 1959/60, 7-230; G. T. d. Arribas, Ceramicas Griegas de
la Peninsula Iberica I-II (1967) 31ff. Taf. 1, 1-7; Histria IV, 21; Gjerstad,
Cyprus, 9-20, Taf.3, 18-25; Venit, Naukratis, 60ff.; Amyx, Corinthian
Vase-Painting II, 397f. (Literatur zur Datierungsfrage und zu Funden
korinthischer Keramik) und 418-427; Beiträge von H.G. Niemeyer, P. Rouvillard,
P.C. Bonet in: Ceramiques Gregues i Hellenistiques a la Peninsula Iberica. 1983
(Barcelona 1985) 27-57. Vgl. Kopcke, Handel, 108f.
[11] Gegen
die Meinung von M. Austin-P. Vidal-Naquet (Gesellschaft und Wirtschaft, 44)
sprechen allein die Keramikfunde, die im ganzen Mittelmeerraum ans Tageslicht
gebracht worden sind. Unter diesen Funde sind auch Töpferwaren, die lediglich
als Transportgefäße verwendet wurden, wie die sog. „SOS“-Amphoren (s.u. Text
und Anm.), oder mitsamt ihrem Inhalt verkauft wurden, wie die Aryballoi und
Alabastra. Die „SOS“-Amphoren dienten vor allem zum Transport von Wein und Öl,
während die korinthischen Aryballoi und Alabastra Salböl oder ähnliche Duft-
und Parfümstoffe beinhalteten. Dazu Boardman, Kolonien und Handel, 17ff.;
R.M. Cook, JdI 74, 1959, 114-123; ders. JHS 99, 1979, 152-155. Auf der
François-Vase ist Dionysos eine „SOS“-Amphora tragend dargestellt. Dionysos
schenkt hier - im Kontext eines Hochzeitszuges - dem Peleus sicherlich eine
Amphora mit Wein, vgl. Arias-Hirmer, Vasenkunst, 39 Abb. 44; Schefold, Götter-
und Heldensagen, 218 Abb. 228. Hierzu: H.G. Niemeyer, in: Ceramiques Gregues i
Hellenistiques a la Peninsula Iberica. 1983 (1985) 31. Die differierenden
Meinungen zu Form und Funktion der Amphoren diskutiert G. Schaus, EchosCl 5,
1986, 119-128.
[12] Zu
frühen Handelstätigkeiten und mit einem allgemeinen Überblick: Starr, Growth
Early Greece, 26ff. und 80-89; Kopcke, Handel, 100-121. Vgl. C. Roebuck, ClPhil
45, 1950, 236ff.; ders., in: Economy and Society in the Early Greek World
(1979) 30-41. Zum Handel zwischen Griechen und Ägyptern: Austin, Greece and
Egypt, 35ff.
[13] Vgl.
Seltman, Athens, Taf. 1, P7-8; Kraay, ACGC, Taf. 9, 161-172.
[14] Hdt 1,
168; Strab. 14, 1, 30, C644. J. Seibert, Metropolis und Apoikie. Historische
Beiträge zur Geschichte ihrer gegenseitigen Beziehungen. Diss. (1963) 75ff. Zu
neuesten Ausgrabungen und Forschungen s. D. Lazarides, Abdhra kai Dikaia (Athen 1971) 8f.; Isaac, Greek in Thrace, 80f.;
A.J. Graham, JHS 112, 1992, 44-73; C. Koukouli-Chrysanthaki, The Cemeteries
of Abdera, in: Nécropoles et Sociétés Antiques. Actes du Colloque International
du Centre de Recherches Archéologiques de l’ Université de Lille III (1994)
47-62; Miller, Kolonisation, 63f. mit Anm. 166.